Welikij Nowgorod

Welikij Nowgorod
Welịkij Nọwgorod
 
[»Groß-Neustadt«], bis 1999 Nọwgorod, Nọvgorod, Gebietshauptstadt in Russland, am Wolchow, 6 km unterhalb seines Austritts aus dem Ilmensee, 232 000 Einwohner; russisch-orthodoxer Erzbischofssitz; Universität, landwirtschaftliche Hochschule, viele Museen (»Museumsstadt«); elektrotechnische, chemische Industrie; Fremdenverkehr; Binnenhafen; Sonderwirtschaftszone.
 
 
Welikij Nowgorod entwickelte sich auf beiden Seiten des Wolchow: auf dem linken Ufer die »Sophienseite« mit dem Kreml (1045 erstmals befestigt, 1331-33 und 1484-90 Backsteinmauern mit Toren und Türmen), auf dem rechten, östlichen Ufer die um den Fürstensitz (»Jaroslawhof«) entstandene »Handelsseite«. Ältestes Bauwerk der Stadt ist die Sophienkathedrale (1045-50) des Kreml, eine fünfschiffige Kreuzkuppelkirche; am Westportal die »Nowgoroder Bronzetür« (Reliefplatten zwischen 1152 und 1154 in Magdeburg gefertigt). Weitere Kirchen entstanden v. a. im 12. und 14. Jahrhundert, darunter die fürstliche Hofkirche Nikolo-Dworischtschenskij im Jaroslawhof (1113-36), die Kirche Fjodor Stratilat (1360/61) und die Christi-Verklärungs-Kirche an der Iljastraße (1374; mit Fresken von Theophanes dem Griechen, 1378). Außerhalb der Stadt liegen im Norden das Antoniuskloster mit der Kirche der Geburt Mariä (1117-19), im Süden das Jurjewkloster mit der Georgskirche (1119-30; Reste der Wandmalerei von 1125), im Osten die Erlöserkirche an der Nerediza (1198), deren Fresken im Zweiten Weltkrieg bis auf geringe Reste zerstört wurden, die Kirche Mariä Himmelfahrt auf dem Wolotower Feld (1352, im Zweiten Weltkrieg zerstört) und die Christi-Verklärungs-Kirche von Kowalewo (1345). - Die Baudenkmäler von Welikij Nowgorod und Umgebung sind UNESCO-Weltkulturerbe.
 
 
Welikij Nowgorod, Siedlungsmittelpunkt der nördlichen Ostslawen und eine der ältesten russischen Städte, wird 859 erstmals in der Chronik erwähnt. Als Stützpunkt der Waräger (in skandinavisch Quellen Họlmgard genannt) wurde es 862 Residenz Ruriks, des Gründers der ersten russischen Dynastie. Nach der Eroberung Kiews (882) durch Oleg wurde es Nebensitz der Kiewer Großfürsten unter einem Statthalter und entwickelte sich im 10. Jahrhundert dank der günstigen Verkehrslage zum nach Kiew bedeutendsten kulturellen Zentrum und zur größten Handels- und Gewerbestadt Russlands. Mit dem Zerfall der Kiewer Zentralgewalt wuchs die Selbstständigkeit Welikij Nowgorods: 1136 löste ein Aufstand das regierende Fürstenhaus ab; die Macht ging an die Volksversammlung (wetsche) über, die dem gewählten Fürsten nur den militärischen Schutz übertrug, während die Verwaltung in den Händen gewählter Würdenträger lag. Die Macht der Stadt beruhte auf ihrer Stellung als Mittlerin im Handel zwischen Russland und den Ostseestädten. Seit dem 12./13. Jahrhundert gab es in Welikij Nowgorod eine Niederlassung deutscher Kaufleute, später der Hanse (Peterhof). 1240 verteidigte sich Welikij Nowgorod unter Alexander Newskij erfolgreich gegen die Schweden (Schlacht an der Newa), 1242 gegen den Deutschen Orden (Eisschlacht auf dem Peipussee). Die Adelsrepublik beherrschte ein weit nach Norden (Halbinsel Kola) und Osten (Wjatka) reichendes koloniales Hinterland und hatte sich mehrere Beistädte (u. a. bis 1347/48 Pskow) angegliedert, sie blieb jedoch vom militärischen Schutz Wladimirs, später Moskaus, abhängig. Durch die erstarkenden Großfürsten von Moskau seit 1456 in seiner politischen Bewegungsfreiheit stark eingeengt, wurde Welikij Nowgorod1478 dem Moskauer Staat einverleibt, die Oberschicht ausgesiedelt und durch Moskauer Familien ersetzt. Mit der Schließung des Hansekontors (1494) verlor die Stadt auch ihre Stellung als Handelsmittelpunkt; 1570 ließ Iwan IV. sie durch seine Opritschniki (Opritschnina) verwüsten. 1611-17 war Welikij Nowgorod von Schweden besetzt, 1727 wurde es Gouvernementshauptstadt.
 
 
K. Onasch: Groß-Nowgorod. Aufstieg u. Niedergang einer russ. Stadtrepublik (Wien 1969);
 V. L. Ianin: Očerki kompleksnogo istočniko-vedenija. Srednevekovyj Nowgorod (Moskau 1977).

Universal-Lexikon. 2012.

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